Auer Weber gehört mit aktuell mehr als 140 Mitarbeitern zu den größeren Unternehmen der Baubranche. Die Entwürfe der Architekten prägen seit Jahrzehnten deutschlandweit Großprojekte – mittlerweile gezielt auch international. Gründer Fritz Auer und Carlo Weber sind unvergessen. Sie setzten vorausschauend einen gelungenen Generationenwechsel um: Fünf Geschäftsführer leiten heute zusammen mit Gründer Auer als Berater und sieben weiteren Partnern zwei Bürostandorte. Sich neu zu erfinden und trotzdem nicht bei null anzufangen, scheint eine der Stärken von Auer Weber zu sein. PREFARENZEN hat bei Moritz Auer, einem der Geschäftsführer, nachgefragt und zeigt im Rahmen der Serie „Einblick“ das Büro in München.
Sehr Umfassend
Auer Weber arbeiten von München und Stuttgart aus. Wer Architektur studiert hat, kennt das süddeutsche Büro aus unzähligen Reportagen in Fachzeitschriften. Man kann die Architekten als besonders detailgenau und trotzdem für den extrem großen Maßstab zu haben beschreiben. Moritz Auer bezeichnet deshalb das eigene Projektportfolio als „sehr umfassend“. Zu den Realisierungen gehören unter anderem komplexe Wohnbauten, Bürogebäude, Universitäten, Schulen, Sportstätten und die mit einer geometrisch auffälligen PREFA Dachlandschaft aus 38 Einzelflächen sanierte Inselhalle in Lindau am Bodensee.
Eine breite Expertise entwickeln
Wie entwickelt das Büro seine breite Expertise in den unterschiedlichen Bauaufgaben? Das geschieht fast ausschließlich durch Wettbewerbsentwürfe, die – für Architekturbüros nicht unüblich – in festen Teams fortlaufend produziert werden. 40 bis 50 Entwürfe pro Jahr werden von Auer Weber eingereicht. Wettbewerbe zu bearbeiten sei so wie Kochen ohne Rezept ist im Bürotagebuch zu lesen, das Auer Weber „AW365“ nennen und in dem sie wichtige Gedanken und Projekte einmal jährlich publizieren. Das Buch ist ein Gemeinschaftsprodukt des Netzwerks um Auer Weber. Es zeigt und stärkt den kollektivistischen Anspruch und die vielschichtigen Tätigkeitsbereiche der Architekten.
International sichtbar sein
Auf der Wettbewerbsschiene sind Auer Weber mit „ohne Rezept“ international erfolgreich. Durch Gewinne z. B. in China, Deutschland und Frankreich wurde vieles umgesetzt. Als ehemals nur regional in Süddeutschland agierendes Büro wird mittlerweile gezielt an internationalen Projekten und mit einer internationalen Mitarbeitergemeinschaft gearbeitet. Um etwa Gebäude in Frankreich umsetzen zu können, holte man Verantwortliche mit entsprechenden Bau- und Entwurfserfahrungen an Bord. Das Büro konnte in seinem Charakter und wirtschaftlich auch wegen dieser Offenheit bestehen. Eine Frage der Rezeptlosigkeit also, dass Auer Weber weiter ausbaut? Oder eher eine Frage der Bürokultur und der Strukturen? Dass in dem großen Büro viel stärker individuelle Fähigkeiten der Mitarbeiter berücksichtigt und gefördert werden können – damit Potenziale optimaler genutzt werden – ist strukturbedingt.
Apropos Struktur
An der Spitze agiert ein großes Team und auch in allen anderen Abteilungen wird teamorientiert gearbeitet. Auer Weber ist in vielen kompakten Arbeitseinheiten organisiert, die ihre Aufgaben eigenständig lösen und umsetzen. Klar entscheiden konzeptionell und ökonomisch in letzter Instanz die Chefs. Moritz Auer erzählt aber entspannt, dass das, was Auer Weber machen und wollen, „ohne Vertrauen und Entscheidungsspielräume nicht funktioniert“. Er reflektiert seine eigene Rolle, weiß, dass er als Geschäftsführer eines 140-köpfigen Büros nicht an allen Entscheidungen beteiligt ist. Das heißt auch, nicht jedes Projekt im Detail zu kennen. „An einem Standort laufen durchschnittlich 30 Projekte zeitgleich. Wir teilen uns im Führungsteam auf, wer welches Projekt hauptverantwortlich betreut und arbeiten in Projektclustern“, so Auer. Man sei „ein großer, beständiger, aber beweglicher Organismus und kein klassisches Mastermind-Büro“. Die Chancen dieser Arbeitsweise für jeden Einzelnen sind Eigenständigkeit, wechselnde Rollen im Laufe einer Karriere und der Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen und Fachbereichen.
Weiblicher werden, ja bitte unbedingt!
Für einen Organismus wie Auer Weber werden kontinuierlich neue Mitarbeiter gesucht. „Nicht einfach“ sei das aktuell in München, laut Auer. Und angesprochen auf den Gendergap bei den Führungspositionen im Büro, überrascht seine Antwort. Unbedingt werden Frauen im Büro bis ganz nach oben befördert. Aber generell – völlig unabhängig von Geschlechtern – entschieden sich leider immer weniger junge Architekten für die ganz große Verantwortung.
Räume zwischen Schreibtisch und Dynamik
Das Büro in München verteilt sich auf drei Etagen eines ehemaligen Fabrikgebäudes. Zwei davon werden als klassisches Büro genutzt. Die dritte ist ein offener und kollektiver Raum, in dem sowohl große Meetings stattfinden als auch Tischtennis gespielt wird. Beliebter Ort der Mitarbeiter ist eine Galeriebrücke über dem Hof, von der aus man die Terrasse eines italienischen Restaurants und die vielen anderen Büros der Nachbarschaft beobachten kann. Im dynamischen Alltagsbetrieb von Auer Weber ist das der Platz für schnelles Luftholen und den unverzichtbaren Boxenstopp.
Material muss sein
Luftholen heißt für Auer Weber und die Mitarbeiter auch, Entscheidungen noch einmal abzuwägen, was täglich z. B. bezogen auf die Wahl der Materialien notwendig ist. „Materialien sind absolut zentrales Thema im Entwurf. Dazugehörige Fragen thematisieren wir bereits in den Wettbewerben“, erklärt Moritz Auer. „Ist das mineralisch? Ist das massiv, leicht oder etwas Textiles?“ Ohne Konstruktion, Oberflächenqualitäten und Anmutung kann man Architektur seiner Meinung nach nicht denken. Persönlich interessieren ihn seriell gefertigte Materialien. Auer vermutet ein größeres Entwicklungspotenzial in der Industrie als im reinen Handwerk.
Entweder – oder
Entscheidungen sind unverzichtbar im Architektenalltag. Deshalb haben wir explizit und nicht ohne ein Augenzwinkern Herrn Auer zu Begriffen des Bauens vor die Wahl gestellt: Entweder – oder?
weitere Infos:
- Text: Claudia Gerhäusser
- Fotos & Videos: Croce & Wir